Routenverlauf der Reise

Freitag, 9. November 2018

Explosionsgefahr

San Francisco sollte also unsere allerletzte Station werden, bevor es dann mit Zwischenlandung in Reykjavik zurück in die Heimat nach Frankfurt gehen sollte.
Die Flat-Earth-Theorie hatte sich somit für uns erledigt, aber jeder muss da natürlich seine eigenen Erfahrungen machen. Bestimmt sind wir nur einem billigen Trick aufgesessen und wir sind am Rande der Scheibe im Kreis geflogen oder so.
San Francisco war für uns schon immer eine Traumdestination. Die Golden Gate Bridge, die verkifften Hippiereste und natürlich Alcatraz warteten schon seit jeher auf unserer To-Do-Liste zum Abarbeiten. Auf der Suche nach einem günstigen Flug nach Hause wurden wir glücklich überrascht mit einem unschlagbaren Angebot für einen Flug von San Francisco über Reykjavik nach Frankfurt. Mit kurzer Umstiegszeit für insgesamt 660 Euro für uns 3 Personen. Günstiger kommt man kaum nach Malle.
Im sonnigen, aber recht frischen frühlingshaften Kalifornien angekommen nahmen wir die U-Bahn in das aus Mellis Hand gebuchte Hotel im Zentrum. Das Hotel war ein stimmungsvolles Schnäppchen, was aus der Zeit gefallen schien. Im Boheme-Stil eingerichtete Zimmer trafen genau Emmchens Geschmack und sie fühlte sich wie eine Prinzessin im Schloss. Der Tag war fast vorüber und wir machten uns auf den Weg, etwas zwischen die Kiemen zu bekommen. In TripAdvisor machte ich einen alteingesessen Pub und Sandwichladen ausfindig, der bei uns ums Eck lag und unser Stammlokal für die nächsten Tage werden sollte. Hier gab es außen aufregende Neonreklame, innen holzvertäfelte Wände, rotweiß-karierte Tischdeckchen, frisches Bier und deftiges Essen. Genau das, was man zum Ende einer durchweg gelungenen Weltreise braucht. Die kleine Hoffnung, eins der ersten Eintracht-Spiele der Saison morgens früh zu schauen, verwarf ich relativ schnell. Spätestens mit dem Ereignis in der Nacht, entschied ich mich vollends gegen ein Aufstehen zu nachtschlafender Zeit.
Mitten in der Nacht, so gegen 2:30 Uhr, schrillte plötzlich ein Alarm los, so dass wir senkrecht im Bett standen. Der erste Gedanke war Feueralarm, gefolgt von Terror und schließlich waren wir uns sicher, dass im Zimmer eine ferngesteuerte Bombe versteckt wäre, die jederzeit hochgehen würde. Das Geräusch war ein monotones schrilles Piepen und wir rechneten damit, dass die Intervalle schneller und irgendwann in einem großen Knall münden würden. Wir stellten das komplette Zimmer auf den Kopf, während Emmalie beeindruckenderweise wie ein Stein alles verschlief, aber das Geräusch blieb nah und doch so fern. Irgendwann machten wir die genaue Herkunft aus und staunten ungläubig, als wir uns sicher waren, das Bett würde piepen. Man konnte nicht drunter schauen, weil das Bett bis zum Boden reichte. Uns blieb nichts anderes übrig, als die komplette dicke Doppelbettmatratze samt Emmalie unter enormen Kraftaufwand ein Stück anzuheben und im Bettkasten blinkte der Übeltäter. Melli war fest davon überzeugt, endlich die Bombe dingfest gemacht zu haben, packte mit Panik in den Augen aber beherzt zu und schleuderte den kleinen grauen piepsenden und blinkenden Kasten erstmal in Richtung Ausgangstür.
Das Geräusch war jetzt wirklich laut und schrill, aber Emmalie brachte das alles nicht aus der Ruhe. Ich wagte mich etwas näher heran und erkannte ohne Brille, dass wir es mit einem altbackenen riesigen Wecker zu tun hatten. Wir hantierten noch minutenlang an dem kreischenden Ding herum und kamen nicht darauf, wie man ihn ausschaltet. Wenn man davon ausgeht, dass uns keiner einen wirklich guten Streich spielen wollte, vermuteten wir, dass ein anderer überforderter Gast ein ähnliches Bedienungsproblem hatte und den Wecker dann schließlich frustriert unter dem Bettkasten verstaut hatte, damit er ihn nicht mehr so laut hören musste. Anders können wir uns die Situation bis heute nicht erklären. Wir sind dankbar für jeden Hinweis, der zur Aufklärung der Tat führen könnte.
Melli hatte die Schnauze voll und beschloss, den piependen Wecker zur Rezeption zu bringen. Schließlich war es 3 Uhr nachts und wir hatten schon noch vor, ein bisschen weiter zu schlafen. Der Rezeptionist hatte scheinbar die gleichen ersten Ängste wie wir und ihm entfuhr nur "What the hell...". Relativ kommentarlos ließ Melli den armen Nachtrezeptionisten, der wahrscheinlich am wenigsten für die Situation konnte, mit dem viereckigen Quälgeist alleine und kam mit leeren Händen zurück ins Zimmer. Erschöpft begannen wir mit dem zweiten Teil unserer wohlverdienten Nachtruhe. Zum Glück war unser Zimmer im 3. Stock und vom Wecker an der Rezeption war nichts mehr zu hören.
Natürlich wurde Emmalie wieder pünktlich wach und wir hatten keine Chance auf ein längeres Ausschlafen. Das Frühstück im Hotel war uns zu teuer und wir beschlossen, beim nächsten Mal auf dem Weg zu essen. Wir starteten den verregneten Tag am Hafenpier mit Besuch des kleinen, aber feinen Aquariums und dem Wissenschaftsmuseum Exploratorium für Kinder, in dem Emmchen ein paar zickige Zwergenaufstände probte, aber dann im Großen und Ganzen doch recht angetan war. Aufgrund des Wetters war es leider ziemlich voll, aber wir waren schon sehr beeindruckt, was hier an Qualität und Quantität für die Kids geboten wird. Das Highlight am Pier ist aber die Robbenkolonie auf zwei Stegen mitten im Hafenbecken. Wir wurden Zaungast eines Streits zwischen einem rücksichtslosen Rüpel und 5 hilflosen Opfern häuslicher Robbengewalt, in dem es darum ging die Artgenossen vom Steg zu schmeißen. Den Tag ließen wir als Revival unserer früheren Weltreiseetappen im Thai Restaurant ausklingen, wo es als Vorspeise die heiß geliebten und lange vermissten frittierten Maden gab. 
Ein letztes Mal Wäschewaschen stand am nächsten Morgen auf dem Programm und wir machten uns auf die Suche nach einem Waschsalon. Ein paar Häuserblocks weiter wurden wir mit einem Münzautomatenwaschsalon fündig. Ein zunächst hilfsbereit erscheinender Mann griff uns unter die Arme und schenkte uns eine Portion Waschpulver. Nachdem wir mit ihm ins Gespräch kamen, merkten wirt recht schnell, dass wir es mit einem ziemlich schrägen Vogel zu tun hatten. Als er Emmalie dann unbedingt eine Anstecknadel schenken wollte, wurde uns das Ausmaß der Durchgeknalltheit dann bewusst. Es war eine Anti-Chemtrail-Nadel und nach kurzer Google-Recherche fanden wir heraus, dass unser Helfer einer der führenden Ikonen der Chemtrail Bewegung Amerikas war. Er tingelt durchs Land und hält Vorträge, schreibt Artikel und ist so etwas wie der Sprecher der Verrückten. Peinlicherweise saß er dann anschließend noch im selben Frühstückslokal wie wir während wir auf unserer Wäsche warteten. Zum Glück wirkten wir so mit unserem Frühstück beschäftigt, dass er uns mit seinem Wahn in Ruhe ließ.
Das Wetter war wieder super und wir hängten einen Lonely Planet Spaziergang an den nächsten durch spannende und absolut sehenswerte bunte Viertel wie The Mission, das Hippieviertel Haight / Ashbury, das Schwulenviertel und dem Golden Gate Park. Wir machten zig Meter an diesem Tag und Emmalie schlief zwischendrin selig in ihrer Kraxe. Mittlerweile war sie schon grenzwertig schwer geworden. Als gelungenen Abschluss des Tages rasselten, trommelten und tanzten wir gemeinsam mit wild zusammmengewürfelten Alt- und Junghippies, Junkies und Pennern im Park und zum Abendessen landeten wir dann wieder zielsicher in unserer Stammkneipe.
Die Nacht war wunderbar ruhig und gut gelaunt wachten wir am nächsten Morgen auf, den neuen Tag zu erobern. Er begann mit einer Fahrt mit der legendären Straßenbahn über schwindelnde Höhen und steile Hänge, wir staunten kurz über die kurvenreichste Straße der Welt und erreichten schließlich den südeuropäisch anmutenden Palace of fine Arts. Von da aus ging es zum Wasser in Richtung Golden Gate Bridge. Diese zeigte sich in ganzer Pracht bei strahlend blauem Himmel. Auf der Brücke nahmen wir noch an einer Mini Demonstration gegen Donald Trump und Amerikas Kriegsbeteiligung teil und schließlich führte uns unser Weg dann ans andere Ufer nach Sausalito. Wahrscheinlich waren wir wieder mindestens 10 Kilometer gewandert. In Sausalito fanden wir etwas zu essen und nahmen die Fähre zurück in die Stadt. Weil wir gerade schon mal da waren, noch einmal einen kurzen Abstecher zur Robbenkolonie.
Am folgenden und tatsächlich letzten Tag unserer Weltreise sollte es noch nach Chinatown und Alcatraz gehen.  In der Glückskeksfabrik vermissten wir etwas die Romantik und den Zauber, aber irgendwie war das ja zu befürchten. Unser Waschsalonbekannter hätte es auf die chemischen Angriffe von oben geschoben, für uns ist der Kapitalismus schuld am fehlenden Zauber.  Wir suchten in ganz Chinatown nach ihm und fanden ihn schließlich in einem Parkhaus. Hier gab es auf jedem Parkplatz einen individuellen Glückskeksspruch und ich stellte mir vor, wie ich stundenlang nach dem richtigen Parkplatz suchen würde und mich ärgern würde, dass mein Lieblingsspruch schon vergeben wäre. Von Chinatown ging es wieder hinauf zum Coit Tower und nach famoser Aussicht dann zu Fuß wieder runter in Richtung Hafen. Hier brachte uns ein Boot nach Alcatraz. Emmchen hatte keine Lust aufs Gefängnis, aber nach einer etwas queren Bootsfahrt schlief sie schnell in der Kraxe ein und wir konnten den spannenden und höchst immersiven Audioguide störfrei genießen. Unser letzter Abend auf Weltreise verschlug uns dann nach Little Japan zum Sushiessen. Emmchen hatte riesigen Spaß, denn die Fische kamen nach eigener Bestellung übers Tablet selbstständig mit einem Hochgeschwindigkeitsmodellzug angebraust. Irgendwann muss es uns mal nach Japan verschlagen, beschlossen wir.
Jetzt hieß es nur noch ein allerletztes Mal Ausmisten und am nächsten Morgen sind wir mit so wenig Gepäck wie noch nie zum Flughafen. Fast Emmalies komplette Garderobe fiel dem Sparzwang zum Opfer.  Die total durchgetragenen Sommersachen sind in Kalifornien geblieben und auch unsere Wäsche wurde radikal gekürzt. Hoffentlich bewahren wir uns diese Lust auf Weniger ein bisschen, denn wenn wir eins gelernt haben auf der Reise, dann dass es zum Glücklichsein nicht viel Materielles braucht.
Der Flug mit kurzem Zwischenstopp in Island war einfach und rustikal ohne viel Brimborium, aber wir kamen für den Preis unschlagbar günstig in unserer Heimat an. Frankfurt hatte uns nach achteinhalb wahnsinnig ereignisreichen Monaten wieder und empfing uns mit für uns gewohnten sommerlichen Temperaturen und einer vom Zwischenmieter sauber geputzten und ordentlich wie nie hinterlassenen Wohnung. Jetzt galt es erstmal anzukommen. Emmalie freute während des Fluges schon auf ein eigenes Zimmer, das sie "aufräumen kann". Diesen Wunsch können wir ihr natürlich nicht verwehren.
Zu guter Letzt fehlt noch ein abschließendes Fazit und letzte Worte, die wir im nächsten Blogbeitrag finden werden. Versprochen!