Leider saßen wir im Flieger auf der falschen Seite, so dass wir von den restlichen Hawaii Inseln nichts mitbekamen. Wir landeten auf Big Island und seinem schnuckeligen OpenAir Flughafen. Unseren Mietwagen hatten noch auf Oahu am Flughafen schnell online klar gemacht und die AirBnB-Unterkunft im Süden der Insel hatten wir schon länger in der Tasche. Die Mietwagen-Ausleihe zog sich etwas in die Länge, aber schließlich bekamen wir dann endlich unseren nächsten Kleinwagen zugewiesen. Die ultralangsame Dame am Tresen versuchte uns noch einen Jeep aufzuschwätzen, aber als wir auf Nachfrage auch mit diesem Jeep nicht auf den Mauna Kea hoch fahren durften, hatte sich dieses Thema schnell für uns erledigt.
Dann ging es zügig in den Supermarkt Vorrat hamstern, bevor es uns in den wenig besiedelten Süden verschlug.Die Fahrt zur Unterkunft zog sich wie Kaugummi, irgendwie hatten wir die Entfernungen nicht so weit eingeschätzt. Schließlich angekommen entpuppte sich das AirBnb als Juwel. Der Vermieter, eine Mischung aus Conny Reimann und Protagonist in einem Tarantino Film, und seine herzliche Frau waren aus den USA hierher ausgewandert und genossen ihre Frührente im hawaiianischen Paradies. Wir hatten ein eigenes geräumiges und geschmackvoll eingerichtetes Haus mit zwei Schlafzimmern, riesiger Küche und sogar einer Spieleecke für Emmalie. Besser hätten wir es kaum treffen können.
Weil wir schon so weit im Süden Hawaiis, übrigens dem südlichsten Ort der ganzen USA, untergekommen sind, zog es uns direkt an den Zipfel Big Islands. Auf TripAdvisor wurde uns ein Bauernhof auf dem Weg als Highlight vorgeschlagen, bei dem es neben selbstgemachten Produkten zu kaufen auch eine Sammlung von verschiedenen Papageien, Kakadus und Wellensittiche zu bestaunen gab. Die Bäuerin war schon der erste Vorgeschmack der typischen Big Island Bevölkerung: ein wenig verschroben, hippiesk, naturverbunden und umweltbewusst. Also eigentlich fast das Gegenteil dessen, was man auf O'ahu so angetroffen hatte. Wir hatten kaum Geld mehr in der Tasche und mit dem letzten Rest gönnte sich Melli eine Tafel selbsthergestellte Makadamianussschokolade. Ein ATM war mal wieder notwendig, aber weit und breit natürlich nicht zu sehen.
Weiter ging es in Richtung südlichsten Punkt Big Islands mit dem klangvollen hawaiianischen Namen "South Point". Neben "Big Island" war dies die zweite hochkreative und traditionsbewusste Namensgebung. Trotz aufgestellter Warnschilder versammelten sich hier einige wagemutige Familienväter und pubertäre Jugendliche, die sich von den 15 Meter hohen Klippen ins wellige Meer stürzten. Einige Meter weiter im Landesinneren gab es noch einen Bodendurchbruch, dessen Wasser durch eine Höhle mit dem offenen Meer verbunden war. Die Profis stürzten sich auch hier herunter. Verrostete, kapprige und marode erscheinende Eisenleitern, die in damaliger Zeit wohl Fischern zum Anlegen dienten, verhalfen den Springern wieder nach oben. Da ließ ich mich lange bitten, stand dann ca. 10 Minuten palavernd und nervös am Klippenrand, fasste mir schließlich nach aufmunterndem Applaus der gaffenden Zuschauer ein Herz und sprang. Es war ein Heidenspaß, aber die wirkliche Hürde war die sich windende und wankende Eisenstrickleiter danach, die mich keuchend und schwitzend wieder zurück zu Emmalie und Melli bringen sollte.
Der eigentliche Südzipfel lag noch ein paar hundert Meter weiter und war recht rau und unwirtlich. Wir legten ein paar geheime Grußbotschaften aus weißen Steinen auf dem schwarzen Lavagestein und machten uns dann wieder auf den Rückweg. Ein schnelles selbst gekochtes Abendessen und schon waren wir fast reif fürs Bett. Beim Spülen fiel mir schon der Essensrestezerkleinerer im Abfluss auf und ich fragte mich, wie viel der wohl zerkleinern kann. Unsere Nudeln hat er bewältigt, glaubte ich zumindest. Diese Gedanken und auch das dazu gehörige Essen sollten uns nochmal wieder begegnen.
Am Abend im Bett machte ich mich noch schlau über mögliche Tauchoptionen und diese waren tatsächlich spektakulär. An Meerestieren gab es hier so gut wie alles zu sehen, aber mich interessierten die außergewöhnlichen Tauchgänge. Berühmt ist Kona auf Big Island für seine Nachttauchgänge mit Mantas. Das klingt schon ganz gut, aber wir waren von Komodo noch so verwöhnt von Mantas, dass mich diese faszinierenden Tiere erschreckenderweise gar nicht mehr so reizten. Ich war total angefixt auf das Nachttauchen mit fremdartigen Wesen aus der Tiefsee im Schwarzwasser über 1000 Meter Tiefe. Ein paar Emails später hatte ich für morgen ein Date mit den Aliens.
Am nächsten Morgen trafen wir wieder auf unsere netten Gastgeber, der uns frische Eier von seinen Hühnern zum Frühstück vorbei brachte. Solche Hühnereier hatten wir zuvor noch nie gesehen, sie waren außergewöhnlich groß und hatten eine grünliche Färbung. Der Besitzer, wir nennen ihn aufgrund seiner Ähnlichkeit im Wesen und Aussehen, hier mal Conny Reimann, zeigte uns stolz seinen Hühnerstall und es waren wirklich prächtige Hühner in schillernden Farben. Er berichtete uns von der auf Hawaii eingeschleppten Opossumplage und tatsächlich sollten wir diese rattenähnlichen Viecher noch oft zu Gesicht bekommen. Sie würden Jagd auf seine Hühner und deren Eier machen und waren Conny daher ein Dorn im Auge. Er erzählte dankbar von seiner Frau, die kurzen Prozess mit den kleinen Viechern macht. Mit einer Lebendfalle fängt er sie und auf Nachfrage, was denn dann mit den Tieren passiert, erläuterte er großkotzig, dass seine Frau ihnen dann mit einer Schrotflinte ein schnelles Ende bereiten würde. Wir waren in Amerika angekommen. Damit aber nicht genug, anschließend zerhäckselt er die Oposums und den Fleischbrei der Aggressoren mischt er ironischerweise den Opfertieren, also den Hühnern, unters Futter. Vielleicht kommt daher die grüne Färbung und wahnsinnige Größe der Eier. Geschmeckt haben sie uns trotz erhöhtem Ekelfaktor sehr gut.
An diesem Tag stand eins meiner Highlights der ganzen Reise auf dem Programm. Wir unternahmen unseren ersten Trip in den Volcano Nationalpark. Dieser riesige Park, der fast ein Drittel der gesamten Big Island einnimmt, beherbergt spektakuläre Vulkankrater, aktive Lavaströme und eine wahnsinnige unwirkliche Vulkanlandschaft, die sich bis ans Meer zieht. Ein paar Monate zuvor ging der Lavafluss direkt ins Meer und konnte beim Eintauchen und Abkühlen beobachtet werden. Wann ist man schonmal live dabei wie Mutter Erde neues Land erschafft? Wir waren ein paar Tage zu spät dort und der Lavafluss floss mittlerweile größtenteils unterirdisch. Fließende Lava wäre nur mit einer für Familien unzumutbaren Wanderung auf heißem Gestein möglich und kam so für uns leider nicht in Frage. Unser erster Weg führte uns durch brodelndes Gelände und an dampfenden Löchern vorbei zum Aussichtspunkt über dem riesigen Kilauea Krater. Hier wohnt der legende zufolge Pele, die Feuergöttin. Ihre Heimat war wirklich spektakulär, denn der Krater beinhaltete einen See aus flüssiger Lava, welche meterhoch in die Höhe sprudelte. Wir hätten nie gedacht, dass wir doch noch in den Genuss von echter Lava kommen würden, auch wenn sie einige hundert Meter entfernt war. Auf jeden Fall war dies eines unserer erhabendsten Momente der gesamten Weltreise.
Anschließend ging über die beeindruckende Straße durch die Vulkanlandschaft mit weiteren tiefen Kratern und durch riesige erkaltete Lavafelder bis hinab zum Meer. Durch sengende Hitze machten wir eine Wanderung mit schlafender Emmalie in der Kraxe über das Lavafeld in der Hoffnung doch noch auf fließende Lava zu treffen, aber irgendwann setzte auch bei uns die Vernunft ein und wir machten kehrt.
Zur Entspannung am Nachmittag fuhren wir noch auf dem Rückweg am Black Sand Beach vorbei, der wie der kreative Name schon sagt, aus feinstem schwarzem glitzernden Lavasand besteht. Der Strand ist gesäumt mit Palmen und im Wasser und auf den Felsen tummeln sich Dutzende Meeresschildkröten und lassen sich vom Menschentrubel nicht stören.
Schnell zurück in unser trautes Heim, denn ich musste schon wieder los, um rechtzeitig bei meinem Aliendate zu sein. Ich ließ Melli und Emmchen zurück und machte mich alleine auf den langen kurvig beschwerlichen Weg 1,5 Stunden nach Kona an der Westküste. In Dunkelheit kam ich erschöpft, aber voller Euphorie am Hafen an und es war kaum was los. Mein Handy zeigte einen neuen Anruf vor 10 Minuten an, aber da war ich am Weg suchen und konnte nicht abnehmen. 15 Minuten später kam das Boot voll mit zufriedenen, aber durchgeschüttelten Tauchern vom Mantatauchgang zurück und sie erzählten, dass mein Tauchgang aufgrund des zu starken Wellengangs nicht stattfinden würde. Innerlich kotzte ich über die 3 Stunden Fahrt und das ins Wasser gefallene Erlebnis. Ich erzählte traurig, dass ich beim nächsten Termin schon nicht mehr auf der Insel sei und sie machten das Angebot, dass ich drei Tage später nochmal kommen könne. Ich überlegte kurz, stellte erschreckt fest, dass unser Weiterflug am nächsten Mittag gehen sollte und erinnerte mich an die Lehren aus dem Tauchkurs, niemals unter 24 Stunden nach dem Tauchgang zu fliegen. Die Profis beruhigten mich, man würde ja eh nur stabil in 10 Metern Tiefe tauchen und da würde ein halber Tag Ausnüchtern locker reichen. Ich war so neugierig, ließ also alle Zweifel hinter mir und sagte zu. In völliger Dunkelheit fuhr ich etwas frustriert wieder 90 Minuten zurück und Melli fand meine Idee, das ganze in 3 Tagen nochmal zu versuchen, so mittelgut, aber ich ließ mich nicht davon abbringen. Insgesamt wären es dann 6 Stunden Anfahrt für einen Tauchgang in 10 Meter Tiefe und völliger Dunkelheit. Ob sich das lohnt, wir werden es sehen. In der Nacht träumte ich von Aliens aus der Tiefsee und Melli und Emmchen vom Strandtag, der uns am nächsten Tag erwarten sollte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen