Relativ müde von der nächtlichen Irrfahrt erwachten wir rechtzeitig, denn es sollte diesmal bei Tageslicht an die Westküste gehen. Beim ersten Stopp erwarteten uns sogenannte Petroglyphen, uralte Felszeichnungen, die von den Ureinwohnern Hawaiis im 13. Jahrhundert vor Christus in die Steine geritzt wurden. Ein schöner Rundwanderweg durch trockene Savannenlandschaft brachte uns ins Schwitzen und sorgte dafür, dass wir uns fühlten wie in Afrika. Eigentlich haben nur die Elefanten gefehlt.
Anschließend ging es ins nördliche Inland durch hügelige Hobbitlandschaft und in Waimea genossen wir ein günstiges vietnamesisches Mittagessen und lösten einen aufwendigen Geocache. Der Spielplatz des Ortes war Emmchens Highlight und ausgelastet traten wir die Fahrt weiter an die nördliche Spitze Big Islands an. In Hawi fand Melli zu meinem Entsetzen einen Schmuckladen, in dem sie sich ein handgearbeitetes Armband aus Lavasteinperlen und Edelsteinen kaufte, welches sie zwei Tage später schon wieder verloren hatte. Ich fürchte, dass diese Erfahrung trotz meiner mehrmaligen Erinnerungen keinerlei Auswirkungen auf ihr zukünftiges Kaufverhalten haben wird. Im Gegensatz, je mehr verloren geht, umso mehr muss man kaufen.
Ich drängte die Damen weiter und wir verbrachten den restlichen Nachmittag an einem wunderschönen Strand an der Westküste und erlebten einen Sonnenuntergang wie aus einem Bilderbuch.
Der nächste Tag stand ganz im Zeichen des Hippietums der Insel. Wir starteten in Puna, wo morgens ein großer Erzeuger- und Trödelmarkt stattfand. Hier sammelten sich klassische Austeigertypen, Alt- sowie Neuhippies und das Ganze erinnerte an das Woodstock der 70er. Selbst für Melli war dieses Kauferlebnis ein bisschen zu abgedreht und ich konnte sie recht schnell davon überzeugen, weiter zu fahren. Zumindest gab es für alle mal eine leckere Waffel.
Die Gegend um Puna war und ist aktuell wieder Schauplatz dramatischer Szenen, denn hier floss vor 2 Jahren die letzte Lavamasse aus dem nahen Volcano Nationalpark direkt durch den Ort. Die erkalteten Lavaströme wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.
Nach unserer Rückkehr nach Deutschland steht Puna erneut im Mittelpunkt der Schlagzeilen. Der Lavasee des Kilauea, den wir noch vor ein paar Tagen bewundert hatten, hatte sich mittlerweile unterirdisch entleert und die Lava spritzte willkürlich aus neu entstandenen Rissen mitten zwischen den Häusern Punas an die Oberfläche und sorgte für Evakuierungen und ziemliches Chaos. Die Orte, die wir besuchten, waren ein paar Wochen später so nicht mehr wieder zu erkennen oder zumindest nicht mehr betretbar.
Es verschlug uns zur Lavasighting Zone, doch diesmal konnten wir uns beherrschen und glaubten den örtlichen Bewohnern, dass flüssige Lava nur über einen beschwerlichen Ganztagesfußmarsch zu erreichen sei. Mit Kind ein Ding der Unmöglichkeit. Ein paar Wochen später hätte man sich vor Lava kaum retten können. Wir sind uns bis heute nicht sicher, was besser gewesen wäre.
Ein Anwohner gab uns den Tipp, einen nahen Strand aufzusuchen, der sich bei Einheimischen größter Beliebtheit erfreut. Ein schmaler steiler Pfad führte über die Felsen hinab zum Strand und nach einiger Kletterei erreichten wir den schwarzen feinsandigen und palmengesäumten Lavastrand. Wie schon fast zu befürchten war, war auch dieser Strand eingenommen von den Hippies von Big Island. Prüde Amerikaner waren hier weit und breit nicht zu sehen und ein Großteil der Badelustigen waren trommelnde, tanzende und kiffende Nackedeis. Wir nahmen die Rolle der deutschen Spießbürger ein und nur Emmalie folgte dem Dresscode. Ich wusste teilweise nicht, wo ich hingucken sollte und spätestens als eine Nackte in einem Meter Entfernung mit dem Hulareifen tanzte und in der Gegenrichtung eine weitere Splitternackte mit Bauchladen Süßigkeiten verkaufte, entschied ich mich das kühle Nass aufzusuchen. Melli gab sich der Stimmung ganz hin und unterzog sich von einer der wenigen Angezogenen einer Lomi Lomi Massage, einer traditionell hawaiianischen Form des Durchknetens. Emmchen fühlte sich eins mit der Natur und spielte mit den vielen herumtollenden Hunden. Das Meer hatte so eine starke Brandung, dass das Baden teilweise richtig heftig und anstrengend war. Später erfuhren wir dann, dass in dem Wasser regelmäßig Menschen aufgrund der starken Strömung ertrinken. Wir überlebten und irgendwann hatten wir dann genug von den nackten Tatsachen und es zog uns weiter.
Der nächste Stopp war dann eine kurze Wanderung durch einen versteinerten Wald. Hier ging vor vielen Jahren ein Lavastrom durch den Wald und überzog die Bäume mit ihrer glühenden Masse. Das Ergebnis sind Baumstümpfe aus Lavagestein und es war faszinierend durch diese unwirkliche Welt zu wandeln. Der Rückweg führte uns wieder am Volcano Nationalpark vorbei und das Ticket, welches einige Tage gültig ist, verschaffte uns Zugang zu einer riesigen Lavahöhle inmitten eines sattgrünen Dschungels. Da wir relativ spät waren, waren die Reisebusse schon wieder weg und wir hatten die Höhle relativ ungestört für uns.
Wieder zurück in unserem Heim startete unsere Toilettenodyssee. Nach Verrichtung des großen Geschäfts mussten wir erschreckt feststellen, dass die Toilette nicht mehr abfloss. Nach langer Sucherei fanden wir schließlich einen Pömpel und ganz vorsichtig, weil die Toilette schon randvoll war, versuchte ich die Verstopfung aufzulösen. Irgendwann floss das Ganze dann langsam ab und wir fielen erleichtert ins Bett.
Am nächsten Morgen erschraken wir, als wir die Dusche nutzen wollten und erblickten die tags zuvor aus dem Klo abgelaufene braune Brühe randvoll in der gegenüberliegenden Duschwanne. Mit viel Körpereinsatz und dem Pömpel schafften wir es schließlich die Dusche wieder zu säubern und entschlossen uns peinlich berührt, die ganze Sache zunächst vor den Vermietern zu verheimlichen. Mit dem gut ausgestatteten Putzschrank und viel Chlor machten wir eine frühmorgendliche Grundreinigung und hofften auf eine einmalige Sache.
Es sollte heute auf den Mauna Kea gehen, den höchsten Berg der Welt. Den Titel verdient er sich deshalb, weil der Maua Kea gemessen vom Fuß des Berges unter der Meeresoberfläche 10203 Meter in die Höhe ragt. Die 4205 Meter über dem Meer sind da sozusagen nur die Spitze des Eisberges. Ganz hoch geht es nur per Allradjeep und aufgrund der Höhe wird allgemein auch abgeraten, mit Kind den Gipfel zu erklimmen. Für Emmalie war es aber schon aufregend genug auf 3000 Metern die plötzliche Kälte zu spüren, die sie so schon ewig nicht mehr kannte und endlich mal wieder einen langen Pulli anziehen zu dürfen. Der Blick von hier war atemberaubend und der Ausblick auf den schneebedeckten Gipfel sehr beeindruckend.
Zurück ging es in einer großen Schleife nördlich über Waimea, mit Mittagsstop beim Vietnamesen vom Vortag und dann weiter Richtung Ostküste. Die Aussicht aufs Waipi-O-Valley war phänomenal, aber für eine Wanderung hatten wir leider keine Zeit mehr. Weiter ging es zu mehreren Wasserfällen inmitten schönster Dschungellandschaft mit kleinen Wanderungen und bombastischer Natur. Auf dem Rückweg ließen wir den Tag noch am schönen schildkrötenverseuchten Black Sand Beach ausklingen und dann ging es zügig zurück in unser bescheidenes und hoffentlich nicht beschissenes Heim. Zu unserem Glück war diesmal alles noch in unschuldigem Weiß.
Ich musste mich relativ schnell wieder verabschieden, denn mein zweiter Tauchversuch stand heute wieder auf dem Programm. Nach erneuter ewiger Fahrt bis nach Kona, erreichte ich den Hafen und diesmal sollte es tatsächlich losgehen. Mit mir auf dem Boot waren ausschließlich Tauchprofis uns ich fühlte mich der Sache nicht so wirklich gewachsen. Augen zu und durch und tatsächlich war es von der taucherischen Herausforderung ziemlich einfach. Jeder von uns wurde an ein Seil am Boot befestigt und wir hatten alle einen Spielraum von ca. 10 Metern in alle Richtungen in absoluter Dunkelheit. Dies war absolut ausreichend, da die Highlights einem einfach wie aus dem Nichts vor die Taschenlampe schwebten. Der Tauchgang war eine vollkommen außerirdisch anmutende Erfahrung und ich fühlte mich wie schwerelos im Nichts des Alls. Der Anblick der anderen an den Seilen schwebenden Taucher, von denen man nur die Lampen sah, verstärkte die Raumfahrtszenerie. Das Beeindruckendste waren aber tatsächlich die absolut fremden Tiefseewesen, die man hier vors Auge bekam. Winzig kleine bis riesige Würmer, Quallen, Fische und Undefinierbares schillerte in buntesten Farben und grotesken Formen. Der ganze Tauchgang war ein einziger LSD Trip und nicht vergleichbar mit irgendeinem anderen Tauchgang in meinem bisherigen Leben. Die insgesamt 6 Stunden Anfahrt hatten sich tatsächlich gelohnt und ich kann jedem, der auch nur ansatzweise an außergewöhnlichen Tauchgängen interessiert ist, den Blackwater Dive in Kona absolut wärmstens empfehlen. Die eineinhalbstündige Rückfahrt zu später Stunde und nach diesen Eindrücken war ziemlich kräfteraubend, aber spät nachts fand ich dann endlich auch sicher mein Bett.
Der nächste Tag war unser Abreisetag, an dem wir wieder zurück nach Oahu fliegen sollten und wir planten einen geruhsamen Vormittag am Green Sand Beach, bevor unser Flieger am Nachmittag gehen sollte. Doch als wir morgens ins Bad kamen traf uns fast der Schlag. Die braune Brühe hat uns wieder eingeholt und stand diesmal sowohl im Klo als auch in der Duschwanne und das randvoll. Diesmal blieb uns nichts anderes übrig, als Hilfe bei den Besitzern zu suchen. Verschämt zeigten wir ihnen das Desaster und unsere Gastgeber waren wenig verwundert und kannten das Problem bereits aus früheren Jahren in den USA. Das Abwasser- und Kanalsystem der USA ist berühmt berüchtigt und abermals fiel uns auf, was wir in Deutschland für einen Luxus genießen. Conny streifte sich einen Ganzkörperlatexanzug über, telefonierte wild mit ein paar befreundeten Handwerkern aus der Gegend und machte sich unter dem Haus an den Rohren zu schaffen. Ohne Dusche flohen wir in Richtung Green Sand Beach, in der Hoffnung in ein paar Stunden das Bad wieder benutzen zu können und in Ruhe den Rucksack zu packen.
Der Green Sand Beach ist nur zu Fuß erreichbar oder mit einem ordentlichen Geländewagen. Wir hatten gelesen, dass einheimische Geländewagenfahrer als private Taxis fungieren und entschieden uns aufgrund der Kürze der Zeit für diese Variante. Auch das Wetter mit strömenden Regen vereinfachte uns die Entscheidung. Kurz vor dem Ende des Weges hielt uns ein Jeep an und offerierte uns eine Mitfahrgelegenheit. Weit und breit war kein weiterer Jeep in Sicht, so verhandelten wir den Preis nur geringfügig runter und stiegen schließlich um. Während der Fahrt mussten wir dann feststellen, dass der eigentliche Parkplatz noch weiter gewesen wäre und dort auch weitere Jeeps auf Kunden warteten. Unser Fahrer wurde vom Rest mit bösen Blicken bedacht, da er uns gerissen und unfairerweise schon vor der in der Dorfgemeinschaft vereinbarten Stelle abgefangen hatte. Die Fahrt war aber sein Geld wert, denn der Weg war tatsächlich extrem schlecht und unser Fahrer kämpfte sein Auto durch kniehohen Schlamm und über steile rutschige Hänge.
Nach einer Weile, in der unser Fahrer sein Auto fast bis zum Kollaps quälte, verabschiedete sich plötzlich die Luft aus einem Reifen. Die telefonische Anfrage beim Chef ergab den hilfreichen Tipp mit plattem Reifen weiterzufahren. Der Chef wollte dann zu uns stoßen und einen Ersatzreifen mitbringen, da dieser in unserem Kofferraum leider fehlte. Die Fahrt mit schwimmendem Reifen war noch nervenaufreibender als zuvor und wir standen gefühlt mehrmals kurz vor dem Umkippen oder Steckenbleiben. Irgendwann kamen wir dann tatsächlich an und das Wetter hatte sich auch etwas beruhigt. Im Nieselregen kletterten wir runter zum wirklich grünen feinsandigen Strand und genossen das warme Meer. Wir ließen uns wirklich viel Zeit, aber der Rückflug saß uns im Nacken. Vom Chef und dem Ersatzreifen war weit und breit nichts zu sehen. Das Handy des Fahrers war auch mittlerweile leer und so musste mein Handy herhalten. Der Chef wäre unterwegs, es könne aber noch ein Weilchen dauern.
Zum Glück kam ein weiterer Jeep mit einer kleinen Familie vorbei, die uns erleichtert mitnahm. Unser Fahrer händigte uns die Bezahlung aus, die wir direkt an die Familie weitergaben. Unser Retter war auch ein offizieller Jeeptaxifahrer, hatte heute aber seinen freien Tag und machte einen privaten Ausflug mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Er ärgerte sich über das Unternehmen unseres ersten Fahrers, welches immer wieder gegen die ungeschriebenen Gesetze des Ortes verstieß. Er nannte das Verhalten und den fehlenden Ersatzreifen unverantwortlich und fahrlässig.
Wir trauten unseren Augen kaum, als wir nach einiger Zeit einen festsitzenden SUV erblickten, an dem drei Touristen herumzerrten. Es stellte sich heraus, dass dies der Chef mit unserem Ersatzreifen war, der mit dem für diese Verhältnisse noch unpassenderen Wagen und drei weiteren ahnungslosen Touristen sein Glück versuchte. Da hätten wir wohl lange warten können und am Ende unseren Flug verpasst, denn das Auto saß hoffnungslos fest in einer Kuhle aus tiefem Matsch. Ich fürchte er muss auf eine lange Trockenperiode warten und wir waren unserem Retter dankbarer denn je.
Gerade rechtzeitig schafften wir es zurück in unser im wahrsten Sinne des Wortes Schlamassel, aber Conny hatte beste Arbeit geleistet und in der Zwischenzeit sämtliche Rohre unter dem Haus komplett ausgetauscht. Jetzt hieß es keine Zeit zu verlieren, da wir auch noch das Mietauto zurück geben mussten. Hastig bedankten wir uns vielmals für die herzliche und wahnsinnig hilfsbereite Gastfreundschaft und stürzten Hals über Kopf mit schlecht gepacktem Rucksack davon. Die Fahrt zog sich wie Kaugummi und die Straßen waren voll. Eine knappe Stunde vor Abflug betraten wir die Autovermietung, schoben ziemliche Panik, aber eine halbe Stunde später befanden wir uns dann endlich erleichtert im Flughafenterminal und hatten sogar noch Zeit für ein kleines Beruhigungsbier. Aloha, Big Island! Diese Insel ist wirklich Abenteuer pur und war wieder ein absoluter Höhepunkt der gesamten Weltreise. Bestimmt kommen wir mal wieder.