Die neue AirBnb-Unterkunft lag zum Glück 5 Minuten Fußmarsch ums Eck im 29. Stock eines imposanten Apartmenthochhauses inklusive Pool, Automatenwäscherei und Grillanlage. Das Zimmer war ein echtes Schnäppchen und für unsere Zwecke, nämlich als Homebase für Fahrten mit dem Mietwagen um die Insel O'ahu, perfekt. Der einzige Haken war der fehlende Parkplatz. Dazu später mehr. Nach dem Umzug ließen wir uns per Uber zur Autovermietung in der Nähe des Flughafens bringen. Problemlos händigte man uns den Schlüssel für unseren schnuckeligen Kleinwagen aus, aber der günstige Preis war leider nur das Basispaket, welches lediglich inklusive teurer Versicherung an den Mann gebracht wird. Ohne Versicherung wäre die Ausleihe illegal, teilte man uns mit. Zähneknirschend zahlten wir die doch beträchtliche Summe, aber man versicherte uns, dass wir uns ab jetzt keinerlei Sorgen um irgendwelche Schäden machen müssten. Wir brauchten nicht mal ums Auto herumzuschleichen und es auf mögliche Schäden zu observieren, da es alles abgedeckt wäre. Auch ein befreiendes Gefühl.
Den Rückweg nutzten wir direkt für einen Abstecher ins dschungelige Inland, wo uns eine kleine Wanderung durch einen Urwald, wie man ihn aus Jurassic Park kennt, zu einem wunderschönen Wasserfall führte. Da diese Strecke relativ nah an den Haupttouristenspots der Insel liegt, waren wir leider nicht die einzigen Gäste. Am späten Nachmittag ging es dann wieder in Richtung Apartment und wir bekamen es das erste Mal mit dem Haken zu tun. Die angespannte Parkplatzsituation zwang uns die nächsten Tage allabendlich bis zu einer Stunde in immer weiteren Schleifen um den Block zu kurven, bis sich schließlich irgendwann kurz vor der Verzweiflung ein Glücksfall ereignete und ein Parkplatz frei wurde. Den späten Nachmittag verbrachten wir noch gemütlich auf der Dachterrasse im Pool und Wirlpool und kochten uns lang vermisste Nudeln mit Tomatensauce.
Am folgenden Tag beschlossen wir in Richtung westlichsten Zipfel der Insel zu fahren, der gemeinhin auch als der wilde untouristische Westen bezeichnet wird. Auf dem Weg dorthin in Honolulu durfte ich noch meiner heimlichen Leidenschaft, der Militärkultur, frönen und ich zog die etwas unwilligen Damen über Kriegsschiffe, durch Flugzeughangars und über den kriegshistorisch relevanten und blutbefleckten Boden Pearl Harbours. Der Rest der Familie zog das Programm tapfer durch. Spannender noch als die Flugzeuge und Kriegsschiffe waren die etwas befremdlichen militant christlichen Patriotengroßfamilien aus den tiefsten Sümpfen der USA in Armeekleidung, Ganzkörperbeflaggung und Jesusshirts. Unweigerlich drängte sich hier schon das Gefühl auf, man wäre in die weite Spielwelt GTAs gezogen worden. Lange dachte ich, Grand Theft Auto wäre eine Parodie, hier begriff ich endlich den dokumentarischen Charakter des Videospiels und werde es in Zukunft mit anderen Augen spielen.
Die Fahrt von da aus zum westlichen Zipfel O'ahus war ziemlich verstörend. Man fuhr an den schönsten und menschenleeren Stränden vorbei, aber der Gedanke auf eine Strandpause kam uns nicht in den Sinn, da zwischen Strand und Straße meilenweit ganze Zeltstädte für die Tausende von Obdachlosen errichtet waren. Diese waren teilweise schon so professionell etabliert, dass manche sogar ihr Auto davor geparkt hatten. Diese massenhafte Obdachlosigkeit, die sich hier sammelte, machte uns betroffen und nachdenklich. Die Einheimischen munkeln, dass einige Städte der USA, unliebsamen Obdachlosen ein One-Way-Ticket nach Honolulu spendieren, um sie aus ihren Straßen ein für allemal zu verbannen. Es heißt, dass über 2000 Menschen an dem kleinen Streifen zwischen Meer und Straße in Richtung Westen leben, teilweise auch regulär arbeiten, aber keine Wohnung bezahlen können. Die proviosorischen Behausungen waren zum Teil wirklich beeindruckend und zeugten von großer Improvisationskunst, handwerklichem Geschick und der Sehnsucht nach einem eigenen Zuhause.
Am Ende der Straße begann die Wanderung zum westlichen Punkt. Diese war durch den intensiven Regen der letzten Wochen dermaßen aufgeweicht, dass man teilweise durch knöcheltiefen Matsch waten musste. Nichtsdestotrotz war die Landschaft mit ihrer schroffen Steilküste und dem rauen Meer atemberaubend. Auf dem Hinweg hatte Melli schon einen kleinen schönen Strand erspäht, an dem viele Einheimische badeten und die Obdachlosenlager weit genug entfernt waren. Hier machten wir dann auf dem Rückweg einen Badestopp und der Strand wies einen kinderfreundlichen natürlichen Felspool auf, der Emmalie begeisterte. Wieder zurück in Richtung Waikiki lockte noch eine Höhle für eine kurze Pause und anschließend ging die Parkplatzsuche wieder los. Nach einer halben Stunde Kurverei ließ ich Emmalie und Melli schonmal entnervt am Apartment raus und versuchte allein weiter mein Glück. Irgendwann fand ich eine winzige Parklücke zwischen einem Van und einem Jeep. Durch Frankfurter Parkplatznot geübt, bugsierte ich unseren Kleinwagen hinein und im Rückspiegel war der Jeep noch in weiter Ferne, als es plötzlich knirschte. Beim Aussteigen erkannte ich, dass der Jeep wie aus einem Indiana Jones Film entsprungen vorne einen Zughaken angebracht hatte, der im Spiegel nicht auszumachen war. Dieser Haken bescherte dem Wagen einen deutlichen Kratzer und uns kurzzeitig Kopfzerbrechen. Dann fiel uns aber die teure Versicherung ein und wir erkannten es als Wink mit dem Schicksal, das erste Mal solch eine Versicherung abgeschlossen zu haben. Der Kratzer störte dann nicht mehr weiter und wir ließen es auf uns zu kommen.
Am nächsten Tag sollte es in den Norden der Insel gehen und unser erster Abstecher führte uns zu mehreren Drehorten einer unserer ersten Lieblingsserien. Der Strand, an dem der Oceanic Flug 815 der Serie Lost unsanft endete war wunderschön und menschenleer. Irgendwie ironisch, dass direkt hinter dem Strand ein kleiner Flugplatz war, der durch die dicht über das Wasser fliegenden Flieger, das Lost-Feeling noch authentischer machte. Die Baracken der Others waren nicht weit entfernt und fungieren in der Wirklichkeit als Jugendherberge.
Zum Mittagessen hatten wir die Qual der Wahl, uns für einen der stimmungsvollen Foodtrucks in einer der vielen hippiesken kleinen Dörfer des Nordens zu entscheiden. Der Weg führte uns
weiter entlang der Nordküste zu einem Strand, der dafür bekannt ist, dass sich hier häufig Meeresschildkröten auf dem Sand ausruhen. Das Glück war uns hold und tatsächlich schlief ein großes Exemplar mitten auf dem Strand. Einige Tierschützer hatten den Bereich einen Meter um das Tier mit Seilen auf dem Boden abgegrenzt und ein Schild stellte uns die Schildkröte namens Keoke vor. Anschließend stoppten wir an einer uralten Kultstätte hoch oben über dem Meer, aber bis auf die spektakuläre Aussicht gab es von dem Schrein nur noch ein paar Mäuerchen zu sehen.
Unsere nerdige Lost-Tour führte uns weiter zu mehreren Drehorten in einem Wald mit einem riesigen Banyanbaum, der schon für viele Hollywoodfilme als Kulisse diente. Der nahegelegene Strand lud noch mal zum gediegenen frühabendlichen Plantschen im warmen seichten Wasser ein, bevor es wieder in Waikiki auf Parkplatzsuche ging. Schon von weitem sahen wir ein großes Aufgebot an Feuerwehr und Polizei direkt vor unserem Hochhaus. Das Haus war evakuiert und niemand kam rein oder raus. Es stellte sich heraus, dass es in einem der unteren Stockwerke tatsächlich gebrannt hatte und der Rauch bis zu uns in den 29. Stock hochgezogen war. Die Vorstellung im Falle eines Brandes so weit oben zu schlafen stimmte uns etwas mulmig, aber so ein Brand wird ja nicht jeden Tag passieren.
Auf gut Glück versuchten wir am nächsten Tag noch eine Führung über das weitläufige Gelände der Kualoa Ranch, welches als weltberühmtes Tal Schauplatz für über 50 Blockbusterfilme wie Jurassic Park, Godzilla, Kingkong, Jumanji und natürlich auch wieder Lost diente. Wir hatten Glück und bekamen noch ohne Vorreservierung einen der begehrten Plätze für die etwas teure, aber wirklich lohnenswerte und spannende Filmtour. Nach einem traditionell hawaiianischen Mittagessen in der Waiahole Poi Factory besuchten wir einen Nachbau eines japanischen Tempels inmitten eines wunderschönen Gartens, der uns an die Anfänge unserer Reise in Asien erinnerte. Es gab für Emmalie zahme Täubchen, die einem das Futter aus der Hand pickten und für uns einen wunderbar exotischen Ort der Ruhe.
Der Weg führte uns weiter in Richtung Ostzipfel, auf dem uns zwei junge trampende Surfer im Auto begleiteten. Nahe des Ostzipfels lohnte sich eine Pause bei einem Aussichtspunkt mit Blick über die Strände des Nordwestens. Wieder hatten wir Glück und es belohnte uns mit dem den Anblick von mehreren vorbeiziehenden Wasser ausprustenden Wale in der Ferne und wir waren schwer fasziniert. Der Rückweg führte an der bekanntesten Bucht O'ahus vorbei mit einem der ältesten Korallenriffe der Welt. Schon bald bereuten wir die Entscheidung, den Strand zu besuchen, denn man wurde mit einer Masse von Touristen in einen Raum gelotst, in dem man einen belehrenden Film über die Do's und Don't's am Strand über sich ergehen lassen musste und wir fühlten uns wie kleine Schulkinder. Unten am Strand war dann alles dermaßen überfüllt, dass der Aufenthalt nicht wirklich ein Genuss war. Bis auf die Unmengen von Leuten, die es trotz Lehrfilm schafften, den Strand zu verschmutzen, war der Ort eigentlich wirklich sehr schön. Die Schnorchelausrüstung war schon vergriffen und so verzichteten wir auf die Unterwasserwelt.
Rechtzeitig begaben wir uns wieder auf die schon gewohnte Jagd nach dem Parkplatz und fanden schließlich noch etwas Grillfleisch, um den letzten Abend auf O'ahu mit einem BBQ zu beenden. Eine nette aufgeschossene südkoreanische Familie versorgte uns dabei mit ausreichend mitgebrachtem Schnaps und anschließend fielen wir selig ins Bett.
Am Morgen ging es in Richtung Flughafen. Unkompliziert gaben wir innerhalb von 5 Minuten den Mietwagen ab und vom Kratzer am Heck war zum Glück keine Rede. Unser Flug startete pünktlich in Richtung Big Island, wo uns weitere spannende Erlebnisse erwarteten.