Routenverlauf der Reise

Dienstag, 17. Oktober 2017

Shoppingwahn in Saigon

Der Bus schmiss uns mitten im Backpacker Viertel Saigons raus und wir fanden in einer kleinen ruhigen Seitengasse schnell unsere Unterkunft. Im Zimmerkühlschrank war das Bier billiger als wir es in Vietnam je gesehen haben. Das stimmte uns schon einmal sehr positiv der Stadt gegenüber ein. Obwohl Hanoi die Hauptstadt ist, wirkte es dagegen sehr viel provinzieller im Gegensatz zu Ho Chi Minh City. Hier fühlte man sich gleich ähnlich wie in Bangkok auf der Khao San Road.
Drumherum ist die Stadt sehr modern und im Moment eine große Baustelle, da eine U-Bahn geplant und über Jahre gebaut wird.
Wir schlenderten im Viertel herum, welches mit Pubs, Restaurants, zweideutigen Bars, Shops und Sonnenbrillenverkäufern vollgestopft ist.  Wir versackten etwas auf einer toll illumierten Rooftop Bar und zum Abschluss musste noch ein Bier im Zimmer sein, welches am nächsten Morgen beim Aufwachen noch nahezu unangetastet neben dem Bett stand. Das passiert uns in letzter Zeit häufiger, aber wir lernen nicht draus. Naja, diesmal war es ja günstig, das muss man doch ausnutzen.
Mit Erschrecken musste ich feststellen, dass meine Kontaktlinsen langsam zur Neige gingen und das eine Brillenglas wahrscheinlich vom Sand völlig zerkratzt war. Daher der Nebel im ganzen Land.
Ein bisschen Googlelei später, fanden wir das Optikerviertel und ich kaufte in drei Läden sämtliche Kontaktlinsenregale leer. Wer weiß wann wieder die Möglichkeit kommt. Preislich war es leider ähnlich wie daheim. Auf Nachfrage ob man das Glas der Brille irgendwie schleifen könne, erhielt ich zu meiner Ernüchterung jedes Mal eine Absage. Der letzte Optiker war geschickt und brachte mich auf die Idee, das Glas einfach auszutauschen. Das ganze ging innerhalb von einer Stunde und kostete 5 Euro. An die Möglichkeit hatte ich mich selbstständig gar nicht rangetraut. Ausprobiert habe ich die Brille bis heute noch nicht, weil ich ständig mit Sonnenbrille und neuen Kontaktlinsen herum laufe. Wird schon passen. Auch die Sonnenbrille bedurfte einer Frischekur und ich durfte mir mit Mellis Erlaubnis eine neue am Bauchladen erhandeln. Da ist Melli recht großzügig, was Anschaffungen angehen, erwartet aber leider von mir Ähnliches. Nur dass unsere Bedürfnisse andere sind...
Dies war auch der Grund, warum sich unsere familiären Wege danach trennten. Melli wollte im Shoppingcenter nach neuen Turnschuhen für Emmchen schauen, als offenes Geheimnis hoffte sie natürlich auch, dass für sie noch was vom Kuchen übrig bleibt. Ich durfte mir nach Herzenslust aufrührende und erschreckende Bilder vom Vietnam Krieg und deren Agent Orange Opfern und allerhand Kriegsmaterial im Kriegsreliktemuseum zu Gemüte führen. Diese harte Kost wollten wir Emmalie ersparen und Melli setzte andere Prioritäten. Komisches Gefühl mal wieder von der Leine gelassen zu sein und dann ausgerechnet in ein dramatisches Museum zu gehen. Aber so brav bin ich nun mal.
Das Shopping Center stellte sich Gott sei Dank selbst für Melli als viel zu teuer heraus, aber Emmchen ergatterte einen neuen Prinzessinnenhaarreif und ein mittlerweile heiß geliebtes Regenbogenponykuscheltier. Wo die Liebe halt so hinfällt. Im obersten Bereich vertrieben sich die Damen die Zeit im Spiele- und Bälleparadies, wo sich dann die Familie wieder vereinte. Nachmittags ging es noch die wenigen Sehenswürdigkeiten Saigons bestaunen und so statteten wir dem alten Rathaus, der Oper, der hinter bauzaun etwas versteckten Kathedrale und dem alten Postoffice einen Besuch ab. Abends ging es dann auf die Suche nach einem neuen Reiseführer für unser nächstes Ziel Kambodscha. Wir fanden im Travellerviertel nur einen Buchladen, obwohl es überall hieß, dass man sich vor lonely planets kaum retten könne und sie einem überall abgedreht werden. Wir mussten ziemlich suchen, aber schließlich fanden wir ein mäßig kopiertes Exemplar und handelten es zusammen mit einem gebrauchten aber originalen Thailand LP runter. Abends ging es noch in den secret garden zum Essen. Wer hier ist, sollte sich das nicht entgehen lassen. Durch einen schummrigen Hinterhof, hinein in ein verwohntes und nach Urin riechendes Mehrfamilienhaus, das verranzt Treppenhaus hoch, plötzlich ganz oben offenbarte sich eine Dachterrassenoase mit super traditioneller Küche. Eine uneingeschränkte Empfehlung.
Für den nächsten Tag konnte ich dann die Familie überzeugen, dich noch ein bisschen kriegsgeschichte zu verinnerlichen und wir gerieten in eine günstige organisierte Tour mit mikofonsprechendem schirmchenführer zu den cử chi Tunneln. Der rannte so schnell von erdloch zu erdloch, dass wir mit der von Regenwürmern und Ameisen faszinieren Emmalie kaum hinterherkamen. Einmal haben wir die Gruppe verloren, aber es war ziemlich einfach sie wiederzufinden. Man musste nur den Ballergeräuschen der schießwütigen jungen Amerikanern folgen, die gegen Bezahlung verschiedene scharfe Wummen ausprobieren konnten. Bezahlt wird pro Patrone, was bei einem Maschinengewehr schnell ins Geld gehen kann. Ein ziemlich ohrenbetäubendes und nicht nur in Anbetracht der geschichtlichen Verwicklungen zwischen Amerika und Vietnam äußerst fragwürdiges Vergnügen. Sehr anschaulich und erschreckend waren die verschiedenen totbringenden Fallen und der Gang durch einen der Tunnel, in die Emmalie geradeso ohne sich zu bücken passte. Melli nahm den ersten Ausgang wieder raus aber Emmchen und ich hatten an der Kraxelei etwas Gefallen gefunden und krabbelten die immer enger werdenden Gänge bis zum letzten Ausgang. Faszinierend, dass dies nur die oberste und breiteste Etage war, darunter ging es kilometerweit inklusive Krankenhäusern, Schulen, Schlafsälen in klaustrophobischer Enge weiter.
Wieder zurück in der Stadt besuchten wir noch den Spielplatz ums Eck und Emmalie kontaktete schnell mit einem hyperaktiven, gut englisch sprechenden vietnamesischen Jungen, der selbst Emmchens Aktivität übertraf. Das Schönste war der Kiosk nebenan, der kaltes Bier verkaufte. Sowas wünscht man sich auf deutschen Spielplätzen, aber dann müsste man schon zu Härterem greifen, um die abschätzigen Blicke der Dinckelkeks- und Reiswaffelmütter zu ertragen. Am Ende war Emmchen schweißgebadet und wir selig.
Nicht ausgestattet für extreme Witterung gerieten wir abends in einen Platzregen und schwammen zurück ins Bett.
Am nächsten Abend sollte endlich der von Melli schon lange heißersehnte Flug nach Phụ Quoc folgen. Abend deshalb, weil es der günstigste war. Dazu später mehr.
Den Vormittag hatte ich aber noch Zeit mein Ding durchzuziehen und eine lange Wanderung durch das chinesische Viertel zu unternehmen. Melli freute sich am meisten auf den Programmpunkt eines klassischen Marktes mit allem Erdenklichen. Zu ihrer Enttäuschung war dieser leider wegen Renovierung geschlossen und in Container daneben untergebracht. Wir wagten uns mit Kraxe durch eine Gasse, aber nachdem ich wahrscheinlich jedem zweiten marktbetreiber mit der Kraxe eine Beule verschafft hatte, weil der Gang zu eng war, gaben wir das Projekt auf. Zu Mellis Triumph kamen wir noch an einem Schuhladen vorbei, der endlich neue Turnschuhe für Emmalie brachte. Ich weiß zwar nicht genau warum sie nicht weiterhin mit Schlappen rumlaufen soll, aber Melli klärte auf, es wäre für den zarten Kinderfuß auch mal gut, ein festes Fußbett zu haben. Das hat sie nun als chinesische Variante mit rosa Häschen mit Schleife drauf für 5 EUR. Ob das gesünder ist, sei mal dahingestellt. ;)
Danach gab es endlich meine 25 chinesischen Tempel zu besichtigen und Emmchen verfiel beim zweiten in tiefsten Mittagsschlaf in der Kraxe. Es könnte auch ab den Unmengen von Räucherspiralen gelegen haben und nicht an den wirklich  faszinierenden Tempeln.
Abends ging es dann zum Flughafen und alles klappte reibungslos. Der 2 Stunden frühere Flug der gleichen Billigairline, den wir aufgrund des doppelten Preises ersparten, hatte so viel Verspätung, dass wir an der erbosten Menge fast grinsend vorbeischlenderten und unser Flug pünktlich und früher als dieser losging. 35 kurze Minuten später, kaum Zeit für einen obligatorischen Flugzeugtoilettengang, landeten wir auf Phụ Quốc. Eine weitere halbe Stunde Taxifahrt später erreichten wir alle fast im Tiefschlaf unsere Unterkunft und fielen ins Bett.


































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